Ambitioniert, aber mit groben Rechenfehlern

Analyse zur 1,5-Grad-Konformität des Koalitionsvertrags der Ampelparteien

Bereits am Tag der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags war klar: Anders als Robert Habeck behauptete, ist dieser Vertrag nicht 1,5-Grad kompatibel. Das Team Klimapolitik von GermanZero hat das Papier nun einer ausführlichen Analyse unterzogen, die diese Einschätzung bekräftigt und detailliert begründet.

Klimapolitik
03.12.2021

„In Bezug auf die Klimapolitik ist der Koalitionsvertrag das bisher weitreichendste Ergebnis einer Koalitionsverhandlung“, so Lea Nesselhauf, Mitverfasserin des 1,5-Grad-Gesetzespakets von GermanZero. "Dennoch bleibt er hinter dem zurück, was dem Stand der Wissenschaft zwingend notwendig ist. Technologisch ist ein 1,5-Grad-Pfad machbar. Wir zeigen mit unserem Maßnahmenpaket wie.”

Unser größter Kritikpunkt: Die Koalitionspartner nehmen an, dass Deutschland gleichzeitig an der Klimaneutralität bis 2045 festhalten und das Pariser Klimaabkommen einhalten könne. Der Koalitionsvertrag greift zwar kein konkretes Restbudget für Treibhausgase auf, doch nach Berechnungen von GermanZero würde Deutschland mit den genannten Maßnahmen auf 7,9 Gigatonnen THG-Emissionen von 2022 bis 2045 zusteuern. Dies ist mehr als doppelt so viel wie Deutschland noch zusteht. Das sieht auch das Bundesverfassungsgericht so, das sich an dem globalen THG-Gesamtbudget des IPCC-Berichts orientiert.

„Die zukünftigen Koalitionäre ignorieren mit ihrem Koalitionsvertrag das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und verhindern damit eine 1,5-Grad-konforme Klimapolitik“, so Julian Zuber, Geschäftsführer von GermanZero.

Hinzu kommt, dass die meisten Maßnahmen nicht konkret genug benannt werden. Obwohl die Bekämpfung des Klimawandels sich durch alle Themen des Koalitionsvertrags zieht, bleibt deshalb unklar, ob die Sektorziele 2030 des nachgebesserten Klimaschutzgesetzes der letzten Bundesregierung erreicht werden.

Was wir bei GermanZero begrüßen, ist, dass die Ziele im Energiesektor im Vergleich zum Koalitionsvertrag von 2017 ambitionierter formuliert und mit realistischen Maßnahmen ausgeführt wurden. Problematisch ist dabei jedoch die Ressource Gas, auf die verstärkt zurückgegriffen werden soll. Außerdem fehlt ein ganzheitlicher regulatorischer Ansatz, zu dem auch eine Koordinierungsinstanz von Infrastrukturprojekten zählen müsste.

In den Sektoren Industrie und Verkehr sind die Ziele leider deutlich weniger ambitioniert und zudem schwer einzuschätzen, weil zu wenige konkrete Maßnahmen benannt werden. Aus Sicht von GermanZero ist eine Reform der beiden Emissionshandelssysteme, die stärkere Anreize für eine Dekarbonisierung setzen könnte, absolut notwendig. Sie wird jedoch in eine unbekannte Zukunft verschoben und bleibt damit hinter den Erwartungen der Klimaforschung zurück.

Im Gebäudesektor sind besonders die neuen Neu- und Umbaustandards eine gute Nachricht. Auch die sogenannte Solarpflicht geht in die richtige Richtung, auch wenn sie Lücken für den Privatbau aufweist. Gemessen an dem insgesamt sehr großen Handlungsbedarf beim Bauen und Heizen werden in der Sanierungspolitik aber weiterhin zu wenig Anreize gesetzt und ordnungspolitische Maßnahmen nur spartanisch angewendet.

In der Landwirtschaft ist eine flächengebundene Tierhaltung sehr zu begrüßen. Auch aufgrund der der Nitratbelastung des Bodens ist diese Entscheidung notwendig. Davon abgesehen bleibt der Koalitionsvertrag hier jedoch bei Absichtserklärungen: Zum Beispiel sollen 30 Prozent der Agrarfläche in Ökolandbau umgewandelt werden. Wie dies konkret geschehen soll, bleibt offen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir von GermanZero begrüßen die Aufbruchsstimmung, die an mancher Stelle im Koalitionsvertrag der Ampelparteien sichtbar wird. Für eine 1,5-Grad kompatible Politik reichen die genannten Maßnahmen aber nicht aus.

Eine detaillierte Analyse kannst du hier als PDF herunterladen.

Unseren Maßnahmenkatalog mit mehr als 200 konkreten Lösungen für die Klimapolitik findest du hier.