"Der Politik ein differen­zier­teres Bild vermitteln"

Diana Sträuber und Sabine Herzog über den Aufbau einer Politikgespräche-Gruppe, Lobbyismus und positive Perspektiven für die Politik

GermanZero lebt vom Engagement von mehr als 1000 ehrenamtlich Aktiven. Was sie bewegt und was sie konkret fürs Klima tun, ist so vielfältig wie die Städte und Gemeinden, in denen sie aktiv sind.

In loser Folge stellen wir hier Ehrenamtliche mit ihrer GermanZero-Geschichte vor.

Ehrenamt Politik-Gespräche
08.12.2023
Markus Sailer

Diana Sträuber ist Klimaschutzmanagerin in einer kleinen Kommune, Sabine Herzog arbeitet in der Pharmaindustrie. Gemeinsam haben sie im Frühjahr 2023 im Raum Freiburg eine GermanZero-Lokalgruppe Politikgespräche gegründet.

Diana Sträuber

GermanZero: Diana, Sabine, was hat euch dazu bewogen, Politikgespräche zu organisieren?

Diana: Ich kannte GermanZero schon von einem Kongress über klimaneutrale Kommunen, bei dem Heinrich Strößenreuther, einer der GermanZero-Gründer, die Organisation vorgestellt hatte. Gut zwei Jahre später war für mich der Punkt erreicht, dass ich mitmachen wollte. Ich nahm Kontakt zu GermanZero auf und wurde mit Sabine vernetzt.

Sabine: Ich komme beruflich aus einer ganz anderen Ecke, aber Umweltthemen lagen mir schon immer am Herzen. Es hat mich zunehmend betroffen gemacht, wie die Politik die Klimathematik angeht, und dass das die Gesellschaft spaltet.

Ich hatte deswegen nach einer Möglichkeit gesucht, wie ich mich einbringen kann. Die Politikgespräche, die andere Gruppen organisieren, waren für mich aber nicht wirklich greifbar. Schließlich habe ich beim Tag der Klimademokratie jemanden von GermanZero kennengelernt, der mich mit Diana zusammengebracht hat.

Wie groß ist eure Gruppe?

Sabine: Inzwischen sind wir zu dritt, aber wir arbeiten daran, dass sich das erweitert.

Diana: Wir haben zu zweit angefangen und mussten uns erstmal rein finden und uns mit den Strukturen und Tools vertraut machen. Jetzt können wir sagen, wir sind ganz gut aufgestellt, und es können neue Mitglieder dazu kommen.

Inwiefern war GermanZero hilfreich bei der Gründung? 

Diana: Zum einen hat uns derPolitikgespräche-Manager, der uns beide vernetzt hat, auch bei den ersten Schritten unterstützt und die ersten Online-Meetings begleitet. Er hat da selbst viel Zeit reingegeben. Und dann bietet GermanZero eben eine tolle Plattform für Politikgespräche, weil sie diesen ganzheitlichen Blick haben auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2035.

Sabine: Mit hat gefallen, dass GermanZero für den Anfang eine gute Struktur und hilfreiche Basisinfos bietet, durch die man sich gut vorbereiten kann.

Diana: Und was da fachlich ausgearbeitet wurde, finde ich enorm wertvoll. Das Gesetzespaket bildet so viele Aspekte ab, da kann ich immer wieder nachschlagen. Auch wenn ich in Gesprächen mit Menschen bin, die zum Beispiel über die Bahn schimpfen, dann denke ich mir, ja, da gibt es aber auch Lösungen, und ich kann nachgucken, was sich GermanZero dazu überlegt hat.

"GermanZero ist eine tolle Plattform für Politikgespräche, weil sie diesen ganzheitlichen Blick haben auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2035."

Diana Sträuber

Wieviel Zeit habt ihr anfangs investiert?

Sabine: Das war nicht so extrem viel Aufwand, ich würde sagen, vielleicht zwei bis drei Stunden pro Woche. Man hat ja schon einiges privat gelesen, vieles lässt sich auch ganz gut abends auf der Couch lesen, oder man schaut sich eine der vielen Aufzeichnungen von Webinaren an. Die waren sehr hilfreich.

Diana: Als ich dann mit Sabine in Kontakt gekommen bin, ging es durch die Dynamik zu zweit viel leichter vorwärts, weil man bis zum nächsten Meeting immer etwas fertig machen will. Wir hatten davor eigentlich keine Erfahrung in dieser Richtung, aber ich würde sagen, wir haben die Gruppe innerhalb eines halben Jahres ganz gut auf die Beine stellen können, sodass wir jetzt mit gutem Gefühl sagen können: Jetzt können wir loslegen.

Sabine Herzog

Wie verliefen dann die ersten Gespräche mit Abgeordneten?

Sabine: Bislang haben wir ein Gespräch allein geführt, mit einem Mitglied des Bundestags aus dem Kreis Lörrach, bei einem weiteren Gespräch haben wir hospitiert. Vor dem ersten Gespräch ist man schon ein bisschen nervös und denkt sich: "Hoffentlich repräsentiere ich das jetzt gut und habe genügend Hintergrundinfos." Aber dann lief das alles viel einfacher als gedacht. Es war schön zu sehen, dass sich der Abgeordnete die Mühe gemacht hat, die 1000 Seiten unseres Gesetzespakets zu sichten und sich Fragen zu notieren.

Das heißt, das Gespräch brachte dem Abgeordneten auch wertvollen Input?

Diana: Es ist schon wichtig, dass man auf die Interessensgebiete seines Gegenübers eingeht und sich entsprechend vorbereitet: Was hat GermanZero da zu bieten? In unserem ersten Gespräch war dann aber auch schön zu hören, dass das wissenschaftliche Hintergrundwissen und die Grafiken, die wir mitbrachten, hilfreich waren.

Sabine: Einzelne Abgeordnete können ja auch nicht alles Wissen parat haben, das finde ich auch völlig legitim. Wenn man zum Beispiel auf Soziales spezialisiert ist, kennt man eben die Fakten zum Klimaschutz nicht aus dem Effeff. Er hat uns erzählt, dass er im Bundestag manchmal Diskussionen führen muss, in denen Grundsätzliches infrage gestellt wird. Da ist er dann zum Beispiel froh über eine schnelle Übersicht mit Fakten zu den Auswirkungen der Klimakrise.

"Uns wurde im gesagt: 'Schön, dass auch mal Leute von der anderen Seite ihre Wünsche anbringen. Ich bekomme sonst immer nur Mails von Leuten, die Angst davor haben, dass Gas und Heizen teurer werden.'"

Sabine Herzog

Man könnte also sagen, ihr agiert als bürgerliche Lobby für Klimathemen - Wirtschaftslobbys argumentieren ja auch gern damit, dass sie Politiker:innen mit Fachinformationen versorgen.

Sabine: Genau. Auf der Industrieseite gibt es aktuell ganz viele Leute, die lobbyieren, während es auf der anderen Seite ganz wenige sind. Ich finde aber, das sollte sich die Waage halten. Uns wurde im Gespräch gesagt: "Es ist schön, dass auch mal Leute von der anderen Seite argumentieren und ihre Wünsche anbringen. Ich bekomme sonst immer nur Mails von Leuten, die Angst davor haben, dass Gas und Heizen teurer werden." Wenn er immer nur diese Stimmen hört, denkt er sich: "Okay, das sind die primären Sorgen der Menschen, um die muss ich mich kümmern." Wenn dann aber jemand wie wir aus der Mitte der Bürgerschaft kommt und sagt: Wir wollen die Wende mittragen! Dann hinterlässt das eine Wirkung. Es ist wichtig, dass wir präsent sind und die Politiker:innen ein differenzierteres Bild bekommen.

Diana: Ich denke auch, dass die Wirkung umso stärker wird, je mehr Gruppen für Politikgespräche sich gründen. Es werden dann immer mehr Abgeordnete angesprochen, so dass vielleicht auch eine kritische Masse erreicht wird.

"Man muss weniger darüber reden, was man möglicherweise verliert, und mehr darüber, was man gewinnt."

Diana Schräuber

Diana: Wir sagen immer wieder: Man muss weniger darüber reden, was man möglicherweise verliert, und mehr darüber, was man gewinnt. Zum Beispiel beim Bauen, das aus Klimasicht ein Riesenthema ist. Da fehlt in der Bevölkerung und der Politik oft noch die Fantasie, was alles möglich sein könnte. Zum Beispiel, dass eine sanierte Bestandswohnung mitten im Dorf viel mehr Lebensqualität bringen kann als ein Schuhkarton-Neubau auf der grünen Wiese. Ich finde, es steckt eine sehr große Chance in dem Wandel, den wir in der Klimakrise brauchen. Und ich hoffe, dass wir ein bisschen dazu beitragen können, diesen Wandel zu unterstützen.

Sabine: Ich sehe es als Teil unserer Arbeit, den Politikern auch positive Sichtweisen näherzubringen und die Chancen für die Zukunft. Das fehlt mir in der Klimadebatte komplett. Man hört immer nur: "Dies ist weg und das ist weg und jetzt verbieten sie uns auch das noch…" Es kann doch zum Beispiel ein großer Vorteil sein, wenn nicht jede und jeder ein Einfamilienhaus mit mega Flächenverbrauch baut - und dann irgendwann als Seniorin alleine darin lebt. Es kann sehr schön sein, in einem Mehrfamilienhaus zu wohnen, wo sich die Generationen begegnen und sich gegenseitig helfen können.

Wo könnt ihr als Politikgespräche-Team noch Unterstützung gebrauchen?

Diana: Je mehr Leute das sind, desto mehr macht das in so einem Politikgespräch auch her. Je größer, je bunter, desto mehr Themen kann man an den Mann oder die Frau bringen. Außerdem suchen wir Verstärkung bei der Social-Media-Arbeit, damit wir auch jenseits der Gespräche Präsenz zeigen und ein Gegengewicht herstellen können.

Zum Abschluss: Was würdet ihr anderen empfehlen, die darüber nachdenken, mit Abgeordneten über Klimathemen zu sprechen?

Sabine: Also erstmal: Habt keine Angst! Es geht auf jeden Fall, auch wenn es am Anfang vielleicht ein bisschen schwierig erscheint. Macht einen Schritt nach dem anderen, stellt Fragen, lest euch nach und nach ein. GermanZero bietet auch ein Wiki mit ganz vielen Themen. Man kann sich anfangs auch einfach einer existierenden Gruppe anschließen, zum Beispiel "Politikgespräche bundesweit." Wichtig ist, erstmal den Kontakt zu jemand bei GermanZero zu haben, der sich auskennt und anfangs als eine Art Pate fungiert. Es ist auf jeden Fall machbar!

Für Eilige

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