Moore wieder­vernässen

Wie naturnahe Landwirtschaft Treibhausgasspeicher schafft

Sven Kück bewirtschaftet mit seinem Vater 100 Hektar Acker- und Grünland im niedersächsischen Teufelsmoor. Sie nehmen an einem Modellprojekt teil, um herauszufinden, mit welchen Methoden man den Torfboden schützen kann und gleichzeitig die Bewirtschaftung aufrecht erhalten kann.

Von Leonie Jost

Landwirtschaft
09.06.2021
Leonie Jost

Das Bauernhaus der Familie Kück steht auf einer kleinen Anhöhe. Auf einem Sandrücken, wie Sven Kück erklärt. Hinter dem Haus führt ein etwa 200 Meter langer, von Birken gesäumter Weg hinab in die Ebene. „Hier beim Kuhstall haben wir nun schon knapp vier Meter Moor unter uns“, erklärt Kück. „Und an den tiefsten Stellen reicht die Torfschicht sogar bis zu neun Meter in die Tiefe.“ Mit spürbarer Begeisterung, aber auch ein wenig Ehrfurcht, spricht Sven Kück von dieser einst so unheimlichen und sagenumwobenen Gegend.

Regenmoore wie das Teufelsmoor sind mineralsalzarme, saure und nasse Lebensräume, deren Pflanzen- und Tierwelt an die extremen Bedingungen angepasst ist. / Credits: Willi Rolfes

In Deutschland gibt es kaum noch Moorflächen. 95 % von ihnen wurden über die letzten Jahrhunderte trockengelegt. Ein unendlich scheinendes Netz aus großen und kleinen Entwässerungsgräben, unterirdischen Drainagerohren und unzähligen Schöpfwerken braucht es bis heute, um den Wasserstand in den einst so gefürchteten Mooren abzusenken und so eine Nutzung durch den Menschen möglich zu machen. Eine Nutzung, die heute so selbstverständlich ist und die uns ehemalige Moore oft nicht mehr als solche erkennen lässt. Eine Nutzung jedoch auch mit schwerwiegenden Folgen. Denn inzwischen wissen wir, dass entwässerte Moorböden große Mengen an Treibhausgasen freisetzen.

Die Kücks sind sich ihrer Verantwortung in puncto Klimaschutz bewusst. Um herauszufinden, welchen Beitrag sie mit ihren Flächen leisten können, nehmen sie an dem seit 2016 bestehenden „Modellprojekt zur Umsetzung einer klimaschutzorientierten Landwirtschaft“ teil. Auf den beteiligten Flächen werden Methoden entwickelt und untersucht, die sowohl den Torfboden schützen als auch weiterhin eine funktionierende Bewirtschaftung möglich machen.

Sven Kück bewirtschaftet mit seinem Vater 100 Hektar Acker- und Grünland im niedersächsischen Teufelsmoor. / Credits: Leonie Jost

Vor fünf Jahren haben die Kücks einen neuen Stall für ihre 120 Milchkühe gebaut, davon ausgehend, dass sie ihre Flächen wie bisher zur Futtergewinnung nutzen können. „Wir haben extra standortangepasst geplant und deshalb einen Stall für verhältnismäßig wenig Kühe gebaut“, so Kück. „Uns ist klar, dass man auf Moor nicht so intensiv wie auf anderen Flächen wirtschaften kann und dass die Futtererträge hier geringer sind.“

Forschung für eine langfristige Strategie

Wie die Treibhausgasreduktion mit Hilfe von Moorflächen in der Praxis aussehen kann, dazu forscht auch Arno Krause, Wissenschaftler und Geschäftsführer des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen. Um eine langfristige Moorstrategie zu entwickeln, erklärt er, brauche es neben der Forschung praktisches Fachwissen, Fingerspitzengefühl und Landwirte wie die Kücks, die mit der Wissenschaft zusammenarbeiten.

Eine sinnvolle, langfristige Moorstrategie bestehe im Wesentlichen aus drei Teillösungen, so Krause. Der erste Teil besteht darin, Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion herauszunehmen und wiederzuvernässen. Die dazu nötigen Flächen müsse man erst einmal ausfindig machen, so Krause: „Flächentausch und -zusammenlegungen, Entschädigungszahlungen und möglicherweise auch Betriebsaufgaben können uns helfen, entwässerte Flächen wieder in einen naturnahen Zustand zurückzuführen.“

Rohrkolben als ökologischer Baustoff - ein Paradebeispiel, wie vernässte Flächen landwirtschaftlich genutzt werden können.

Den zweiten Baustein sieht der Forscher in der Bewirtschaftung mit sogenannten Paludikulturen. Sie erlauben es, Flächen wiederzuvernässen und gleichzeitig auf ihnen zu wirtschaften. Der Anbau von Rohrkolben, der auf nährstoffreichen nassen Standorten heimisch ist, so Krause, sei ein Paradebeispiel.

Rohrkolben kann als ökologischer Bau- und Dämmstoff dienen, er brennt und schimmelt nicht, wiegt fast nichts und kann nach dem Gebrauch zu 100 % kompostiert werden. Er hat jedoch noch keine Zulassung als Baustoff, was zur Folge hat, dass in Deutschland keine industrielle Nachfrage existiert. Damit Paludikulturen auch eine ökonomische Perspektive bieten können, braucht es neben einer durchdachten Agrarförderung auch den gezielten Aufbau von Absatzmärkten.

Der dritte Punkt: die moorschonende Landwirtschaft. Moore lassen sich, wie bei den Kücks, durchaus klimaschonend als Grünland nutzen. Wenn die Düngung und das Wassermanagement an den jeweiligen Standort angepasst sind, lässt sich der Ausstoß von Treibhausgasen durchaus verringern. Das konnten Krause und sein Team mit dem Forschungsprojekt „SWAMPS“ für Niedermoorstandorte bereits zeigen.

Die Wissenschaft gewinnt immer größere Erkenntnisse darüber, welchen Beitrag die Moore für den Klimaschutz leisten können. Und mit Landwirten wie den Kücks, die aktiv zu einer Lösungsfindung beitragen, stehen die Chancen gut, dass sinnvolle Maßnahmen zum Wohle aller umgesetzt werden.

Diesen Text und viele andere findest du auch im GermanZero-Magazin.