Die Zeit der kleinen Schritte ist vorbei

Wir brauchen eine neue Energieordnung

Um bis 2035 klimaneutral zu werden, müssen innerhalb der nächsten 15 Jahre alle Sektoren zu 100 Prozent mit Erneuerbaren Energien versorgt werden. Dazu schlägt GermanZero drei parallele Entwicklungen vor.

Von Lea Nesselhauf

Energie
25.03.2022
Lea Nesselhauf

Die großen Schritte

Nicht nur der Energiesektor selbst, sondern auch die Industrie, der Verkehr, das Bauen und Heizen sowie die Landwirtschaft müssen ihre Energie vollständig aus Erneuerbaren Quellen beziehen. Möglich wird dies durch die folgenden Maßnahmen:

  • Die neue Bundesregierung muss in den ersten 100 Tagen die wichtigsten Systemfehler und -widersprüche des gegenwärtigen Systems beseitigen (Quick Wins).
  • Das Zielsystem einer komplett auf EE beruhenden Energieordnung wird in einem von GermanZero vorgelegten Energiegesetzbuch (EnGB) festgelegt und gestaltet.
  • Der Transformationspfad wird ebenfalls im EnGB festgelegt.

Das neue Energiesystem ist ein logischer Schritt. Unter Einbezug aller Kosten, sind Solar und Wind im Vergleich zu fossilen Energieträgern schon heute die günstigsten Energiequellen. Sie haben das größere Potential der Energieerzeugung und verbrauchen die geringeren Flächen. Wasserkraft, Geothermie, Biomasse und Meeresenergie tragen außerdem zu dem Ziel 100 Prozent erneuerbare Energien bei. Die notwendigen Technologien dafür sind entwickelt und wettbewerbsfähig und bringen viel Potential für technische Innovationen und kreative Modelle.

In den Sektoren Wärme, Industrie und Verkehr ersetzt erneuerbar erzeugter Strom so die fossilen Brennstoffe Gas, Kohle und Benzin als Energieträger vollständig. Wir fahren zukünftig mit Wind- und Solarenergie Elektroautos, erzeugen Wärme mit Wärmepumpen und stellen Industrieprozesse um.

Für das Gelingen braucht es die Akzeptanz und aktive Teilnahme von Stakeholdern. Durch die Dezentralisierung der Energie können sich Bürger*innen, Industrie und Kommunen mit kreativen Modellen ohne bürokratische Hemmnisse partizipativ an dem Ausbau beteiligen. Sie übernehmen Verantwortung und profitieren durch sichere Versorgung und Energiepreise.

Sowie:

  • verbindlich ausgewiesene Flächen für den konsequenten Ausbau von Fotovoltaikund Windkraftanlagen und vereinfachte Genehmigungsverfahren
  • Ausbau der Digitalisierung, die es ermöglicht, die vorhandenen Netze besser auszunutzen und den Zubau zu begrenzen
  • Förderung von aus- und weitergebildeten Fachkräften Um das zu finanzieren, sollten Marktbarrieren abgebaut und die Investition risikoarm gesteuert werden.

Um das zu finanzieren, sollten Marktbarrieren abgebaut und die Investition risikoarm gesteuert werden.

Die Möglichkeiten

Der Strom der Zukunft wird in zwei Bereichen erzeugt:

Lokale Energiegemeinschaften

Viele kleine, dezentrale Einheiten, die Strom in Haushalten, Quartieren, Kommunen, Gewerbegebieten und Industrie erzeugen, speichern, verteilen und verbrauchen, werden in den Strommarkt integriert. Sie haben hinter dem Netzanschlusspunkt die Freiheit, eigenständige technologische und organisatorische Konzepte und Geschäftsmodelle für die lokale Versorgung mit Energie zu entwickeln und gemeinschaftsdienlich die Energiewende zu beschleunigen.

Bei Engpässen greifen sie auf das Netz zurück. Sie sind weitgehend entbürokratisiert. Abgaben und Umlagen werden konsequent am Netzverknüpfungspunkt erhoben — in der Gemeinschaft erzeugter und vor Ort verbrauchter Strom wird dagegen nicht mehr wie bisher mit schädlichen und überflüssigen Stromnebenkosten belastet. Bürger*innen können ihre Versorgung über individuelle oder einfache Standardmodelle selbst in die Hand nehmen. Sie verlassen damit das alte System und bauen über die Zeit ein neues EE-System.

Regionale EE-Kraftwerke

Der erforderliche Zubau von erneuerbaren Energien kann nicht von Energiegemeinschaften allein bewältigt werden. Insbesondere Industrie und Wärmeversorgung müssen ihren hohen Strombedarf decken. Das Gesamtsystem über alle Sektoren benötigt insbesondere wegen der Industrie und der Gebäudewärme eine komplementäre Erzeugung von Wasserstoff. Das in diesem zweiten Bereich zu entwickelnde Energiesystem ist also Infrastruktur. Es muss entsprechend zentral vom Bund organisiert und grundfinanziert werden und regional unter Beteiligung der Kommunen realisiert werden. Ausschreibungen sorgen für Anreize, neue Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Dieses Energiesystem ist der Weg in eine nachhaltige, gerechte und für alle Generationen gesicherte Zukunft.

Diesen Text und viele andere findest du auch im GermanZero-Magazin.